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Entscheidungen zur menschenunwürdigen Unterbringung von Gefangenen verfassungswidrig

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Beschlüsse vom 8. Dezember 2020 – 1 BvR 117/16 und 1 BvR 149/16

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichten Beschlüssen wiederholt zwei Verfassungsbeschwerden betreffend eine menschenunwürdige Unterbringung von Gefangenen teilweise stattgegeben. In dem einen Fall wurde der Beschwerdeführer durch die erstinstanzliche Abweisung einer Amtshaftungsklage mit anschließender Anhörungsrüge in seinem Recht auf rechtliches Gehör und in der Gewährleistung des allgemeinen Willkürverbots verletzt, weil aus der Entscheidung des Fachgerichts und ihren Begleitumständen nicht deutlich wurde, ob sich der Richter selbst hinreichend mit dem Vorbringen und den aufgeworfenen Rechtsfragen befasst hat. In dem anderen Fall wurde der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfeantrags für eine Amtshaftungsklage in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt, indem eine für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgebliche Rechtsfrage in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert wurde. In beiden Fällen wurde die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Sachverhalt:

Beide Beschwerdeführer befanden sich im Jahre 2012 in Haft in bayerischen Justizvollzugsanstalten. Sie rügen eine menschenunwürdige Behandlung aufgrund doppelter Unterbringung mit einem weiteren Gefangenen in zu kleinen Hafträumen mit baulich nicht abgetrennten Toiletten ohne gesonderte Abluftvorrichtung.

Im ersten Fall (1 BvR 117/16) lehnte das Landgericht einen Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zunächst ab. Der Beschluss wurde später vom Oberlandesgericht aufgehoben und Prozesskostenhilfe gebilligt. Das Landgericht wies die daraufhin erhobene Klage mit dem angegriffenen Endurteil ab. Infolge eines Richterwechsels im Dezernat stammte das Urteil nicht von demjenigen Richter, der im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden hatte; es ist aber nahezu wortlautidentisch mit dem zuvor vom Oberlandesgericht aufgehobenen, die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss. Die Berufung war wegen des Beschwerdewerts nicht eröffnet und wurde nicht im Urteil zugelassen. Auch eine anschließende, inhaltlich begründete Anhörungsrüge blieb erfolglos. Das Landgericht führte in seinem Beschluss ohne weitere Begründung aus, dass das rechtliche Gehör des Klägers nicht verletzt sei. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie des Willkürverbots.

Im zweiten Fall (1 BvR 149/16) hatte sich der Beschwerdeführer bei Haftantritt mit der Gemeinschaftsunterbringung schriftlich einverstanden erklärt. Sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern, in dem er unter Beweisangebot ausgeführt hatte, dass eine Alternativunterbringung in einer anderen Station aufgrund der dort herrschenden Bedingungen ebenfalls menschenunwürdig gewesen wäre, wurde durch das Landgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht zurück. Dem Beschwerdeführer sei zumutbar gewesen, einen Verlegungsantrag zu stellen, da die Hafträume der anderen Station den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung genügten. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem eine Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die angegriffenen Entscheidungen halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

  1. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 117/16 ist in seinem Recht auf rechtliches Gehör und in der Gewährleistung des allgemeinen Willkürverbots verletzt.
  2. Das Recht auf rechtliches Gehör garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und schützt, dass die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden. Für die Annahme eines Verstoßes gegen das Willkürverbot ist erforderlich, dass die Rechtsanwendung krass fehlerhaft und unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht.
  3. Gemessen hieran halten die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Entscheidungen verstoßen gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Aus dem klageabweisenden Endurteil selbst und seinen Begleitumständen wird nicht deutlich, ob sich der im Hauptsacheverfahren entscheidende Richter selbst mit dem Vorbringen und den aufgeworfenen Rechtsfragen, die sich auch im Beschluss des Oberlandesgerichts finden, befasst hat. In tatsächlicher Hinsicht lässt das angegriffene Endurteil nicht erkennen, warum das Landgericht es verfahrensrechtlich für entbehrlich hielt, die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise zur streitigen Größe der Zelle zu erheben. Sollte sich die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Größe von 7,41 m2 als zutreffend erweisen und dem Beschwerdeführer demnach anteilig nur eine Fläche von ca. 3,7 m² zur Verfügung gestanden haben, hätte dies Auswirkungen auf die von den Fachgerichten zu berücksichtigende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei einer anteilig einem Gefangenen zustehenden Fläche von unter 4 m² den jeweiligen Sachverhalt im Hinblick auf das Verbot der Folter und der unmenschlichen Behandlung in Art. 3 EMRK einer besonders intensiven Prüfung unterzieht. Ebenso fehlen Ausführungen zur baulich in die Gemeinschaftszelle integrierten Toilette. In rechtlicher Hinsicht ist nicht ersichtlich, dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers, sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und diverser Obergerichte sei seine Haftunterbringung menschenunwürdig gewesen, in dem gebotenen Maße zur Kenntnis genommen und ernsthaft erwogen hat.

Durch diese Sachverhaltsbehandlung ist zugleich ein Verstoß gegen das Willkürverbot gegeben. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt ersichtlich, warum sich das Landgericht selbst im Verfahren zur Anhörungsrüge der zahlreich zu ähnlichen Haftbedingungen existierenden Rechtsprechung, die der Beschwerdeführer vorgetragen hatte, offenbar verschlossen hat.

  1. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 149/16 ist in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit verletzt.
  2. Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.
  3. Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlüsse des Landgerichts und Oberlandesgerichts einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Indem die Fachgerichte der beabsichtigten Amtshaftungsklage ungeachtet von ungeklärten Rechtsfragen die Erfolgsaussichten von vornherein abgesprochen und Prozesskostenhilfe verweigert haben, haben sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf Rechtsschutzgleichheit verletzt. Die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage wegen menschenunwürdiger Haftunterbringung können nicht im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens unter Verweis auf § 839 Abs. 3 BGB verneint werden, soweit die Unterbringung in einem Haftraum, für den ein Verlegungsantrag hätte gestellt werden können, ungeklärte Fragen im Hinblick auf die Menschenwürdegarantie aufwirft. Ob ein täglich 23-stündiger Einschluss in einen Einzelhaftraum mit einer Größe von knapp 7,8 m² mit der Menschenwürdegarantie vereinbar ist, ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt und in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Diese für die Beurteilung des Begehrens des Beschwerdeführers maßgebliche Rechtsfrage durfte nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden, sondern bedarf einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, die es dem Beschwerdeführer auch ermöglicht, sie gegebenenfalls einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.
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